Der Schwan und die Hühner: ein inklusives Mitmachkonzert in der Glocke

56 Kinder unserer beiden 6. Klassen saßen am Montag gespannt im Foyer der “Glocke” in Bremen, für viele die erste Begegnung mit live gespielter klassischer Musik in einem echten Konzerthaus. Artig und still erwarteten sie den Beginn der Veranstaltung. Doch der gestaltete sich etwas anders als erwartet: Während das Kammerorchester Konsonanz, bestehend aus Streichorchester und einer virtuosen Schlagzeugerin endlich das Konzert eröffnete, hallten laute Schreie aus dem Publikum. Wer war denn da nicht still? Ein Blick ins Publikum klärte rasch auf: Neben den Lemwerderaner Kindern saßen etliche Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Beeinträchtigungen im Foyer: Die Glocke hatte zu einem inklusiven Mitmachkonzert eingeladen – einem Format, das es sich zum Ziel setzt, Begegnungen zu schaffen und auch Menschen mit schwerer Behinderung Teilhabe am Konzertbetrieb zu ermöglichen.

Auch wenn der Geräuschpegel aus dem Publikum zum Frühling von Vivaldis “Vier Jahreszeiten” für die meisten ungewohnt war und die Säulen des Foyers den freien Blick auf die Musiker zunächst behinderten: Dass hier nichts wie sonst war, erwies sich zunehmend als spannende Bereicherung. So blieben weder Musiker noch Publikum auf ihrem Platz, in diesem “Konzert in Bewegung” durfte jeder aufstehen und ganz nah an die Musiker herangehen. Und so beeindruckte die Schlagzeugerin mit ihrem virtuosen Spiel mit 4 Schlägeln auf dem Riesen-Xylophon aus nächster Nähe dann noch viel mehr.

Die dem Konzert zugrunde liegende musikalische Geschichte handelte von einem Schwan, den die Sehnsucht packte und der für eine Reise seinen heimatlichen See verließ. Dabei lernte er unter anderem tierische Weggefährten kennen – doch welche genau, das durfte das Publikum entscheiden: Sollte er eine Schildkröte treffen oder doch lieber mit den Hühnern gehen? Zuerst war es für die Kinder ungewohnt, das Konzert mitzugestalten, aber zunehmend packte sie die Entscheidungsfreude und die Finger schnellten nach oben.

Am Schluss kam dann richtig Leben auf. Zu “Mein kleiner grüner Kaktus” klatschte bereits der ganze Saal lautstark mit, bis es bei Klängen von Astor Piazolla viele gar nicht mehr auf den Stühlen hielt. Die Ansage der Moderatorin Katrin Anders, aufstehen und tanzen zu dürfen, ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen und schließlich tönte und wogte es im Foyer der Glocke, wie es an dieser Stelle wohl selten zuvor geschehen ist.

Auch nach zwei Zugaben scholl es noch weiter “Zugabe, Zugabe” aus dem begeisterten Publikum, doch irgendwann musste das Ensemble einen Schlussstrich ziehen.

Die Schülerinnen und Schüler unseres 6. Jahrgangs erlebten in dieser einen intensiven Stunde am Montag wohl gleichermaßen zweierlei: hervorragend vorgetragene, stimmungvolle Musikstücke, liebevoll für Kinder ausgesucht und in eine musikalische Geschichte verpackt – und eine herausfordernde Übestunde in Toleranz und im Sich-Einlassen-auf-Ungewohntes. Dass sie Letzteres mit Bravour gemeistert haben, macht uns besonders stolz.

Dieses Erlebnis wird vielen sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

K. Biermann